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Säcke mit Einmalflaschen und -dosen auf dem Hof des Getränkehandels Kastner

Einer geht den Mehrweg

Deutliche Worte schlagen hohe Wellen

Aus einem offenen Brief, in dem der Getränkehändler Hans-Peter Kastner seinen Unmut über die Unmengen an unnötigen Einmal - Plastikflaschen ausdrückt, wird eine riesige Bewegung. Zeitungen sowie andere Medien werden auf dieses Thema aufmerksam. 

Plastikfreier Mehrweg im Getränkemarkt

Ein besonderer Tag

Der 17.06.2019 ist für den Mehrweg im Bereich von Getränkeflaschen ein besonderes Datum. Warum? Es wurden weder Gesetze erlassen noch weitreichende Beschlüsse hinsichtlich von Verboten von Plastik - Einwegflaschen gefasst. An diesem Tag wurde auf Facebook der Brief eines Getränkehändlers aus Stuttgart Vaihingen veröffentlicht. In diesem Brief beschreibt der Getränkehändler Hans-Peter Kastner die für seinen Betrieb unhaltbare Situation, die durch die Rücknahmepflicht von Einweg - Getränkeflaschen aus Plastik und Einwegdosen vor allem von Discountern besteht.

Er hat sich mit seinen Mitarbeitern die Mühe gemacht, die Einwegflaschen und -dosen der letzten 12 Wochen, die bei ihm abgegeben wurden, zu sammeln und zu zählen. Was dabei heraus gekommen ist, scheint unglaublich: 52 Säcke a 200 Stück, also 10 400 Einweg Flaschen bzw. Einweg Dosen. Diese Unmengen an Müll rütteln Herrn Kastner auf. Dazu kommt, dass die Entsorgung dieser leeren Flaschen für den Getränke Lieferservice nicht kostenfrei ist. Laut Herrn Kastner kostet es ihn, neben der Arbeitszeit, ca. 500,00 Euro, um das Einmal-Leergut zu sortieren und zu entsorgen.

Was nach der Veröffentlichung des Briefes passiert, ist einfach überwältigend. Der Brief wird laut der Facebook-Seite 51 733 mal geteilt. Er erreicht insgesamt ca. 1,5 Mio Menschen. Hans-Peter Kastner wird zu einer Person des öffentlichen Interesses. Es erscheinen Zeitungsartikel. Im Laufe der Zeit folgen sogar Fernseh- und Radioauftritte.

Nach den Worten folgen aber auch Taten. Wenige Tage nach diesem Brief gibt Herr Kastner bekannt, dass er mit seinem Getränkehandel ab dem 01.08.2019 nahezu einwegfrei sein wird sowie auch weitgehend auf Petcycle - Flaschen verzichten wird.

Der ungewisse Weg von Plastikleergut

Ich habe die Menge der oben genannten Flaschen und Dosen einfach (ohne Anspruch auf Korrektheit) auf ein Jahr hochgerechnet. Es fallen ca. 41 200 Einwegflaschen und Einwegdosen an. Und das nur bei EINEM Getränkehändler. Ich bin mir nicht sicher, wie viele Getränkehändler es in Deutschland gibt, aber die Summe, die dann am Ende des Jahres stehen würde, ist wahrscheinlich erschreckend und unfassbar hoch. Dabei habe ich natürlich nicht berücksichtigt, wie groß die einzelnen Getränkehändler sind. Die Zahlen sollen nur dazu dienen, eine ungefähre Vorstellung von der Menge zu haben. Das Leergut wird laut Herrn Kastner an eine sogenannte Clearing Stelle zurück gegeben. Tatsache ist, dass Herr Kastner nicht genau sagen kann, was mit den leeren Plastikflaschen und den leeren Dosen passiert. Wie hoch ist die Recyclingquote? Wieviel davon wird als Müll nach Übersee verschifft? Ich weiß es auch nicht.

Herr Kastner stellt auch diese Fragen in seinem öffentlichen Brief. Er ruft den Leser, seine Kunden sowie alle Interessierten auf, über diese Tatsachen einmal nachzudenken, sich zu überlegen, wie sich etwas ändern kann. Wie Recycling aktuell in Deutschland passiert, kannst du auch in einem anderen Beitrag nachlesen, den ich unten verlinken werde. ***

Auf Worte folgen Taten

Am 01.08.2019 ist es dann so weit. Laut einem Video, welches Herr Kastner an diesem Tag veröffentlicht, gibt es beim Getränke Lieferservice Kastner aktuell ca. 85% Mehrwegflaschen aus Glas und nur noch 15 % Mehrweg PET-Flaschen. Dies lässt sich teilweise noch nicht anders regeln, weil an einige Veranstalter oder zu Sportveranstaltungen keine Glasflaschen geliefert werden dürfen. Es gibt keine Einweggebinde mehr. Hans-Peter Kastner gibt an, dass er lediglich für 5 Produkte noch keinen Ersatz in Mehrwegflaschen gefunden habe. Einen weiteren Fokus wird zusätzlich noch darauf gelegt, regionale Produkte anzubieten. Im Geschäft kann der Kunde auf kleinen Tafeln über der Ware sehen, woher das Produkt kommt und wie viele Kilometer es transportiert wurde. Das soll es den Kunden noch leichter machen, umweltbewusst einzukaufen. Die Regionalität ist ein wichtiger Aspekt bei der Bewertung von Mehrwegflaschen aus Glas und Mehrwegflaschen aus PET.

Je länger die Transportwege sind, umso geringer ist der Vorteil, den Mehrwegflaschen haben, dabei schneiden Glasflaschen durch das höhere Gewicht noch etwas schlechter ab. Daher ist es wichtig, beim Einkauf darauf zu achten, woher die Produkte kommen. Zu diesem Zeitpunkt ist noch nicht klar ist, ob die Entscheidung für den Erhalt des Unternehmens richtig und tragbar ist. Aber was er sagen könne ist, wie zufrieden und erleichtert er sei, jetzt wo die Plastikflaschen fast komplett aus seinem Laden verschwunden sind. 

Aufruf von Hans-Peter Kastner: Geh mit mir den Mehrweg

Zwei Monate fast plastikfrei

Jetzt muss sich zeigen, wie sich die Umsätze im Getränke Lieferservice nach diesem mutigen Schritt entwickeln. Die Frage ist, ob die Familie und die Angestellten weiter davon leben können. Nach gut 2 Monaten habe ich bei Herrn Kastner nachgefragt, wie es mit der Umstellung gelaufen ist. Es war schon ein riskantes Unterfangen, das Sortiment derart drastisch umzustellen. Aber es hat sich gelohnt. Hans-Peter Kastner gibt an, dass er einige Kunden verloren habe, aber auch viele neue Kunden dazu gewonnen habe. Auch unter den Getränkeherstellern tut sich etwas. Es gibt Unternehmen, die inzwischen auf Glasflaschen umgestellt haben und so nicht nur diese Aktion unterstützen, sondern einen weiteren Beitrag für den Umweltschutz leisten. Hans-Peter Kastner selbst ist froh, dass es so gut gelaufen ist. Ohne seinen Familie und die Angestellten hätte er es nach eigenen Angaben nicht geschafft.

... und es geht weiter

Für seine Kunden hat sich Herr Kastner noch weitere interessante Sachen einfallen lassen. Zunächst wird ein Lastenfahrrad für den Transport von Mehrweg-Getränke-Kisten angeschafft, welches sich Kunden ausleihen können, um die schwereren Kisten nach Hause zu bringen. Inzwischen (April 2020) gibt es sogar einen Lasten E-Scooter zum Transport der Ware.

Am 12.02.2020 ist in der Frankfurter Allgemeinen in einem Artikel über Herrn Kastner zu lesen: "Hatte Kastner im Sommer noch eine Insolvenz in Kauf genommen, schloss er 2019 mit einem Umsatzplus von satten 27 Prozent ab." *

Herzlichen Glückwunsch. So viel Arbeit und Energie muss einfach belohnt werden und es zeigt sich, wie ungewöhnliche und mutige Wege einen Beitrag zum Umweltschutz leisten können. 

Ein Elektro-Scooter, mit dem Kunden ihre Getränke nach Hause transportieren können.

Ein Beispiel macht Schule

Sein Beispiel steckt an. Hersteller überlegen, ob sie selber auch auf das Abfüllen in Einwegflaschen verzichten wollen. Ein Beispiel ist die Firma Streker Natursäfte, die Herrn Kastner seit dem 01.08.2019 nur noch mit Säften aus Glasflaschen beliefert. Ein weiteres Unternehmen, dass den Mehrweg mit geht, ist die Firma Deichlimo aus Oster-Ohrstedt in Norddeutschland.

Ein Regal mit Flaschen von fritz-kola und im Logo das Bild von Herrn Kastner

Mit dem Unternehmen fritz-kola entsteht eine enge Zusammenarbeit. Für fritz-kola gibt es schon von Beginn an nur einen Weg, den Glasmehrweg – der Umwelt zu Liebe. Deswegen war die Entscheidung, Hans-PeterKastners Kampf gegen Einweg zu unterstützen auch ganz klar. Um die Initiative auch nach außen zu unterstützen, gab es eine fritz-kola Sonderedition mit dem Konterfei des Getränkehändlers für seinen Fachhandel.

Und es gibt interessante Zahlen

Herr Kastner hat überschlagen, dass durch seine Aktion und die Umstellung auf Glasflaschen durch seine Kunden, die Anbieter, die auf Glasflaschen umgestellt haben und durch Menschen, die ihm geschrieben haben, ca. 6-7 Mio Plastikflaschen im Jahr vom Markt geholt werden.< br/>Das ist natürlich nur eine Schätzung, aber selbst, wenn es nicht ganz so viele Flaschen sind - ich bin beeindruckt.

Am 22.07.2019 meldet sich ein weiterer Getränkehändler bei Herrn Kastner und berichtet dass auch die Firma Getränke Gerhardt GmbH aus Holzwickede auf Mehrweg umsteigen will. Da waren es schon Zwei. Inzwischen (Stand April 2020) gibt es bereits 18 Getränkehändler, die es Herrn Kastner gleichtun und seinen Mehrweg mit gehen.

Ein Gesetz, das nicht umgesetzt wird

Von Seiten der Bundesregierung wurde schon 2017 ein Gesetz auf den Weg gebracht, das den Anteil an Mehrweggetränkeflaschen regeln soll. Laut dem "Verpackungsgesetz" (2017 beschlossen und am 01.01.2019 in Kraft getreten) gilt:

"§ 1 Abfallwirtschaftliche Ziele ... (3) Der Anteil der in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränke soll mit dem Ziel der Abfallvermeidung gestärkt und das Recycling von Getränkeverpackungen in geschlossenen Kreisläufen gefördert werden. Zur Überprüfung der Wirksamkeit der in diesem Gesetz vorgesehenen Mehrwegförderung ermittelt das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit jährlich den Anteil der in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränke und gibt die Ergebnisse bekannt. Ziel ist es, einen Anteil von in Mehrweggetränkeverpackungen abgefüllten Getränken in Höhe von mindestens 70 Prozent zu erreichen." Quelle: Verpackungsgesetz (Gesetze im Internet)

Wie und ob dies überprüft werden soll, bleibt noch unklar. Bußgelder sind für eine Unterschreitung der Mehrwegquote nicht festgelegt. Laut dem Umweltbundesamt ist aktuell ein gegenteiliger Trend zu beobachten. Demnach ist die Abfüllung von Getränken in Mehrwegflaschen in Deutschland mit 42 Prozent auf einem neuen Tiefstand angekommen. Diese Aussage wird in einem Interview mit dem UBA-Verpackungsexperte Gerhard Kotschik am 18.09.2019 veröffentlicht. Demnach steigt der Anteil an Einwegflaschen und vor allem Dosen zu diesem Zeitpunkt noch. **

Es gibt also noch viel zu tun. An diesem Beispiel möchte ich zeigen, dass es sich durchaus lohnen kann, den Umweltgedanken auch in ein Unternehmen hineinzutragen und trotz einiger Hindernisse, erfolgreich damit zu sein.

Die Bilder wurden mir mit freundlicher Genehmigung von Herrn Hans-Peter Kastner zur Nutzung zur Verfügung gestellt.


 

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